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Deutschland zum TÜV - Rezension

Eine schockierende Zustandsbeschreibung

Eine Rezension von Horst Wagner

Rainer Popp:
Deutschland zum TÜV - Neun Wege aus der Krise
Argon Verlag, Berlin 1998,
252 Seiten.

 


Man hat von den hier aufbereiteten Skandalen und Skandälchen schon irgendwann gehört oder gelesen. Die schockierenden Zahlen über das Anwachsen von Reichtum auf der einen, Armut auf der anderen Seite, über das Zusammenspiel von hochschnellenden Aktienkursen und steigender Arbeitslosigkeit sind einem aus anderen sozialkritischen Publikationen, auch aus jüngsten Reden Gregor Gysis, mehr oder weniger bekannt. Auch die Fakten über Korruption, Bildungsnot- und andere Übelstände sind nicht unbedingt neu. Was einem Rainer Popps Buch gleichsam unter die Haut gehen läßt, ist die Komprimierung der Anklage und die Schärfe der Formulierungen. Die Originalität der Sprache und die Anschaulichkeit der Vergleiche machen es zu einer geradezu packenden Lektüre. Es ist ein radikaler und - wie es scheint - sehr linker TÜV, dem die heutige Bundesrepublik hier unterzogen wird. Dabei stammt der Autor eher aus dem Establishment. Er war Chefredakteur bei RTL Radio und Fernsehen sowie Programmdirektor von Radio Luxemburg. Seinen kritischen Blick und seinen Hang zur Zuspitzung hat er freilich auch schon als Produzent der satirisch-politischen Puppenshow „Hurra Deutschland“ bewiesen. In zwölf Kapiteln nimmt Rainer Popp den „Müll auf der Mattscheibe“ des Fernsehens ebenso unter die Lupe wie den „Wahn der Werbung“, das „Begräbnis der Bildung“ wie den „Würgegriff des Wettbewerbes“. Von der „Perfidie der Politiker“ ist die Rede, von „Kriminellen und Korrupten“ und vom „Abstieg aus der A-Klasse“. „Die Greueltaten der Globalisierung“ werden ebenso behandelt wie „Die Ohnmacht im Osten“, „Die Kriege der Konzerne“ wie „Die Macht der Manager“ und „Der Geifer des Geldes“. Popp bleibt durchaus nicht an der Oberfläche stehen, bei bloßer Zustandsbeschreibung, sondern versteht tiefer zu loten. Wie eine schockierende Mischung aus Orwells „1984“ und „Kommunistischem Manifest“ liest sich, was Popp über die „Dinosaurier des Geldes“ schreibt, jene Multis, welche „erstmals in der Geschichte“ die reale Macht haben, „die Erde als integrierte Einheit in den Griff zu bekommen“; deren Entscheidungen „von größerer Tragweite sind als die von gewählten Regierungen, wenn es darum geht, wo und wie die Menschen wohnen, was sie essen, ob sie überhaupt essen dürfen, was sie trinken, welche Kleidung sie tragen, ob sie Arbeit finden...“ (S. 194) Besorgt fragt Popp in diesem Zusammenhang: „Wird es in Zukunft eine Auferstehung des internationalen Klassenkampfes geben, bei dem sich die Werktätigen dieser Welt gegen die Multis dieser Welt erheben?“ (S.197)
Was nun verlangt der Autor bei seinem TÜV? Reparatur oder Neuaufbau? Popps Schlußfolgerungen erscheinen mir längst nicht so klar wie seine Analyse. Empfohlen werden von ihm z. B. einerseits japanische Freundlichkeit und Dienstfertigkeit, andererseits das Beispiel der USA, wo sich „die Spitze der Politik an die Spitze der Bewegung gesetzt“ hat, „die in die Zukunft marschiert mit Computern, mit dem Internet, mit der Genforschung und der Biotechnik“. (S.160) Als entscheidende Hebel sieht er an, das Primat der Politik gegenüber dem „Moloch Kapital“ zu stärken und die Allmacht der Monopole durch die Wählbarkeit der Manager gleichsam zu humanisieren. Wie beides funktionieren soll, angesichts der so drastisch geschilderten realen Verhältnisse, bleibt unklar. Überhaupt bleiben die im Abschlußkapitel zusammengefaßten „Neun Wege aus der Krise“ vielfach in moralischen Appellen stecken, die sicher gut gemeint sind, aber zu einem großen Teil illusionär erscheinen müssen. Wie soll denn, angesichts der von Popp deutlich gemachten wachsenden Differenzierung und Entsolidarisierung der Gesellschaft, das von ihm erhoffte große, weltweite kollektive „Wir“ als „revolutionäre Bürger-APO der Jahrtausendwende“ zustande kommen? Auch wenn solche Fragen offen bleiben - ein lesenswertes, zum Nach- und Weiterdenken zwingendes Buch ist Rainer Popps Studie allemal.

© Edition Luisenstadt, 1998
Quelle: www.berliner-lesezeichen.de www.luise-berlin.de


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Rainer Popp: Deutschland zum TÜV

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